Illustration: © Toni Suter
Freitag, 27. März 2026
Antigone
Schweizer Erstaufführung.
Von Sophokles
Übertragung von Anne Carson, aus dem Englischen von Maria Milisavljevic
Theater Kanton Zürich, Regie: Mirjam Loibl mit Katharina von Bock, Michael von Burg, Philip Dechamps, Mia Lüscher, Ilaria Rabagliati, Miriam Wagner
Sophokles’ «Antigone» mag manchen uralt erscheinen. Die Inszenierung des Theaters Kanton Zürich (TKZ) lehrt uns eines Besseren. Die Übersetzung der gefeierten kanadischen Lyrikerin und Altphilologin Anne Carson aus dem Griechischen (in einer deutschsprachigen Übersetzung von Maria Milisavljevic) verleiht der Tragödie eine gut verständliche Sprache und eine nachvollziehbare Struktur. Und der Regisseurin Mirjam Loibl ist eine packend spannende Inszenierung gelungen. Antigones Onkel Kreon hat siegreich einen Angriffskrieg auf Theben abgewehrt und ist der neue Herrscher der Stadt. Dieser Krieg wurde von Polyneikes, Antigones Bruder, gegen den eigenen Bruder Eteokles angezettelt, weil sie sich nicht einig wurden, wem die Königskrone zusteht. Im tödlichen Zweikampf sind sie beide gefallen. Für Kreon ist Polyneikes ein Verräter und fällt in Ungnade. Im Gegensatz zu Eteokles soll Polyneikes Leichnam vor den Toren der Stadt verwesen und unbeerdigt bleiben. Seine Schwester Antigone widersetzt sich, um dem Bruder die letzte Ehre zu erweisen, diesem Gebot. Die antike Tragödie «Antigone» zeigt uns in der aktuellen Version von Anne Carson, wie unmenschlich Vernunft sein kann. Jenseits von Gut und Böse erkundet sie ein neues Feld der Menschlichkeit und des Menschen in der Krise und fragt dabei nach dem Recht des Einzelnen auf Widerstand gegen staatliche Vorgaben. Wo sind die Grenzen der Selbstbestimmung des Individuums und wo die Grenzen der Staatsgewalt? In einer messerscharfen Diktion begleitet und klärt der Chor das Geschehen. Das Bühnenbild, mit Beteiligung von Thomas Hürlimann, fokussiert die Sprache und lässt den Zuschauenden auf mehreren Ebenen Assoziationen zu zeitgenössischen Machtpotentaten und Widerständischen wie Nawalny entstehen. Genau so bringt man der Smartphone-Generation die griechische Tragödie näher und macht sie neugierig.